Zürichs "erster öffentlicher Ruheraum" - Ein Bett für zwischendurch (Neue Zürcher Zeitung, 26.April 2001)

von Pap.

Es hat schon seine eigene Ironie: Während in Kloten die SAir-Generalversammlung durch die Werfthallen tost, wird in Zürich der "erste öffentliche Ruheraum" für Manager und andere gestresste Leute eröffnet. Peter Schneck heisst sein Geschäftsführer, und das Konzept von dessen Firma "Ruhe und Arbeit", die auch Seminare und Beratungen für Firmen anbietet, ist so einfach wie bestechend: Wer etwas leistet, braucht auch Erholung. Das wusste zwar, wie Klaus Bartels gelehrt hat, schon die Antike, und selbst die nicht erst seit gestern; man kann aber auch Bernhard und Elsbeth Brändli-Dietwyler oder Dr. Michel Baeriswyl zitieren, um die These zu untermauern, dass pausenloses Schuften dem Menschen nicht zuträglich ist.

Weil der geplante Arbeitnehmer heutzutage im Grossstadtgetümmel die nötige Erholung jedoch kaum mehr findet, kann er ab Freitag im "Restpoint" (ein englischer Name muss es schon sein) gegen Entrichtung einer Gebühr von Fr. 5.- die Schuhe abstreifen, sich biorhythmisch kalkulierte zwanzig Minuten lang auf eine Pritsche legen und sich seinen allmählich ruhiger dahinfliessenden Gedanken überlassen. 16 Liegebetten umfasst das Angebot an der Sumatrastrasse 5 beim Stampfenbachplatz; sie sind auf fünf sanft renovierte Räume in einem Wohnhaus verteilt. Die Einrichtung: ein bisschen Feng Shui, ein bisschen modernes Kloster. Keine Säuselmusik, keine duftenden Essenzen. Stille ist höchstes Gebot: Geplaudert werden darf nicht, geraucht und gegessen erst recht nicht, auch Lesen ist unerwünscht; schliesslich ist man nicht allein. Man liegt auf dem Rücken und schaut an die weisse Decke oder in die schwarze Seele. Wer einschläft, wird nach etwa einer halben Stunde freundlich Geweckt und darauf aufmerksam gemacht, dass sein Biorhythmus nun wieder nach draussen will.

Im Idealfall, sagen die Betreiber, kommt man etwa dreimal täglich hierhin (Monatskarten gibt's für Fr. 120.-), da man auf diese Weise den ultradianen Gesetzen des menschlichen Kreislaufs am besten gerecht wird. So regelmässig werden indes wohl nur Gäste aus der unmittelbaren Umgebung kommen können. Ob, wie die Initianten hoffen, auch Geschäftsreisende, Passanten oder Ruhebedürftige aus anderen Stadtteilen von dem Angebot Gebrauch machen werden, ist noch ebenso offen wie die Frage, ob bei der benachbarten kantonalen Verwaltung ein mächtiger Bedarf besteht. Schliesslich kann, wer eine Viertelstunde Entspannung sucht, diese auch auf Park- und Kirchenbänken, in Cafés und in Bibliotheken, im Museum oder Kino, im Zug oder notfalls auf Bürostühlen mit Relax-Kippschalter finden. Wie auch immer: Wünschen würde man sich Oasen wie den "Restpoint" wohl am heftigsten in Flughäfen oder Einkaufsparadiesen. Das wissen die Leute von "Ruhe und Arbeit": Das Domizil an der Sumatrastrasse, sagen sie, ist erst der Anfang.